Die Ammonifikation ist ein biologischer Prozess, bei dem organisch gebundener Stickstoff in Form von Proteinen, Aminosäuren oder Nukleinsäuren durch den Abbau von organischem Material in Ammoniak (NH₃) oder Ammonium (NH₄⁺) umgewandelt wird. Dieser Prozess ist ein zentraler Bestandteil des Stickstoffkreislaufs in der Natur und spielt eine wichtige Rolle in der industriellen Abwasserbehandlung, insbesondere bei der biologischen Reinigung von Abwässern mit hohem organischem Stickstoffgehalt, wie sie häufig in der Lebensmittelindustrie, der chemischen Industrie und der Landwirtschaft vorkommen.

Technische Hintergründe

Die Ammonifikation wird von einer Vielzahl von Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen durchgeführt, die in aeroben und anaeroben Bedingungen vorkommen. Der Prozess beginnt, wenn diese Mikroorganismen organische Stickstoffverbindungen wie Proteine und Harnstoff abbauen. Während des Abbaus wird der organisch gebundene Stickstoff durch Enzyme in Ammoniak oder Ammonium umgewandelt, je nach den Umweltbedingungen, insbesondere dem pH-Wert und der Temperatur.

Ammoniak (NH₃) und Ammonium (NH₄⁺) stehen in einem Gleichgewicht, das stark vom pH-Wert abhängt:

  • Bei neutralen oder sauren Bedingungen (pH < 7) liegt Stickstoff hauptsächlich als Ammonium (NH₄⁺) vor.
  • Bei alkalischen Bedingungen (pH > 7) wandelt sich Ammonium in gasförmigen Ammoniak (NH₃) um.

Anwendung in der Praxis

Die Ammonifikation ist ein unverzichtbarer Schritt in der biologischen Abwasserbehandlung, da sie den ersten Teil des Stickstoffabbaus darstellt. Der durch Ammonifikation gebildete Ammoniak bzw. Ammonium wird in nachfolgenden biologischen Reinigungsprozessen wie Nitrifikation und Denitrifikation weiter umgewandelt, um Stickstoffverbindungen aus dem Abwasser zu entfernen und die Einhaltung von Grenzwerten für Stickstoffemissionen zu gewährleisten.

Typische Anwendungsbereiche in der industriellen Abwasserbehandlung umfassen:

1. Kommunale und industrielle Kläranlagen

Die Ammonifikation ist der erste Schritt im Stickstoffabbau, bei dem organische Stickstoffverbindungen aus dem Abwasser biologisch abgebaut werden. Sie findet in den Belebtschlammbecken oder in speziellen anaeroben oder aeroben Reaktoren statt.

Belebungsbecken für industrielle Abwässer aus der Zuckerindustrie

Foto: Denitrifikations- und Nitrifikationsbecken für industrielles Abwasser aus der Lebensmittelindustrie in Chile, ALMA BHU BIO Anlage

2. Aerobe Reaktoren

In aeroben biologischen Abwasserbehandlungsanlagen, wie zum Beispiel dem Belebtschlammverfahren oder Moving Bed Biofilm Reactor (MBBR), erfolgt die Ammonifikation parallel zur Zersetzung von organischen Stoffen. Mikroorganismen wandeln den organischen Stickstoff in Ammonium um, das dann für die nachfolgende Nitrifikation bereitgestellt wird.

Biologisch aktive Filtration zur Abwasserbehandlung

Foto: Foto unserer biologisch aktivierten Filtration, ein Kombinationsverfahren aus mechanischer Reinigung und biologischem Abbau (ALMA BHU BAF)

3. Anaerobe Behandlungsanlagen

In anaeroben Biogasanlagen, die häufig zur Behandlung von hochorganischem Abwasser oder Schlämmen aus der Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft eingesetzt werden, ist die Ammonifikation ein wichtiger Prozess zur Umwandlung von organischem Stickstoff in Ammoniak, der dann im weiteren Verlauf des Stickstoffkreislaufs behandelt wird.

Biogasgewinnung in der Gemüseverarbeitung durch den ALMA BHU GMR

Foto: Beispiel eines anaeroben Reaktors zur Erzeugung von Biogas aus Abwasser (ALMA BHU GMR)

Relevanz für die Abwasserbehandlung

In der industriellen Abwasserbehandlung ist die Ammonifikation entscheidend, um Stickstoffverbindungen in einer Form bereitzustellen, die in nachfolgenden biologischen Prozessen weiter abgebaut werden können. Der durch Ammonifikation freigesetzte Ammoniumstickstoff wird im nächsten Schritt der Nitrifikation zu Nitrit (NO₂⁻) und schließlich zu Nitrat (NO₃⁻) oxidiert. In der darauf folgenden Denitrifikation wird Nitrat unter anaeroben Bedingungen weiter zu Stickstoffgas (N₂) reduziert, das in die Atmosphäre entweicht.

Einflussfaktoren

Der Prozess der Ammonifikation wird durch verschiedene Betriebsbedingungen beeinflusst:

  • Temperatur: Die Ammonifikation ist eine temperaturabhängige Reaktion. Höhere Temperaturen (zwischen 20-35°C) fördern die Aktivität der Mikroorganismen, während niedrigere Temperaturen den Abbauprozess verlangsamen.
  • pH-Wert: Ein leicht alkalischer pH-Wert unterstützt die Umwandlung von Ammonium zu Ammoniak, was in der Abwasserbehandlung entscheidend sein kann, insbesondere in Verfahren wie der Ammoniakstrippung.
  • Sauerstoffverfügbarkeit: Obwohl die Ammonifikation sowohl unter aeroben als auch unter anaeroben Bedingungen stattfinden kann, ist sie in anaeroben Prozessen wie Biogasanlagen oft effizienter, da die Mikroorganismen besser an den Abbau von organischem Material in sauerstoffarmen Umgebungen angepasst sind.
  • C/N-Verhältnis: Das Verhältnis von Kohlenstoff zu Stickstoff (C/N-Verhältnis) im Abwasser beeinflusst die Ammonifikation erheblich. Ein ausgewogenes C/N-Verhältnis fördert den mikrobiellen Abbau und damit die Umwandlung von organischem Stickstoff in Ammonium.

Vor- und Nachteile der Ammonifikation in der Abwasserbehandlung

Vorteile:

  • Wesentlicher Prozess im Stickstoffabbau: Die Ammonifikation stellt die Grundlage für die nachfolgende Nitrifikation und Denitrifikation dar, was entscheidend für die Stickstoffentfernung aus dem Abwasser ist.
  • Effizienter Abbau organischer Stoffe: Die Umwandlung von organischem Stickstoff in Ammoniak/Ammonium durch Ammonifikation ermöglicht den biologischen Abbau von Stickstoffverbindungen in kommunalen und industriellen Kläranlagen.

Nachteile:

  • Bildung von Ammoniak: Unter bestimmten Bedingungen kann die Ammonifikation zur Bildung von Ammoniak führen, das in höheren Konzentrationen toxisch für Wasserorganismen ist und in einigen Fällen zusätzliche Gasbehandlungsverfahren wie die Ammoniakstrippung erfordert.
  • Geruchsbelästigung: Die Freisetzung von Ammoniakgas kann zu Geruchsproblemen führen, insbesondere bei offenen Behandlungsbecken oder in schlecht belüfteten Anlagen.

Fazit

Die Ammonifikation ist ein zentraler biologischer Prozess in der industriellen Abwasserbehandlung, der den Abbau organischen Stickstoffs zu Ammonium ermöglicht. Sie bildet die Grundlage für nachfolgende Prozesse wie die Nitrifikation und Denitrifikation, die zur vollständigen Stickstoffentfernung aus dem Abwasser führen. Durch die Steuerung der Temperatur, des pH-Werts und der Sauerstoffverfügbarkeit kann die Ammonifikation optimiert werden, um eine effektive Stickstoffeliminierung sicherzustellen und den Anforderungen an die Abwassereinleitung gerecht zu werden.