Die anaerobe Behandlung ist ein biologisches Verfahren zur Abwasser- und Schlammbehandlung, bei dem organische Stoffe unter anaeroben Bedingungen (d. h. ohne Sauerstoff) abgebaut werden. Dieses Verfahren spielt eine wichtige Rolle in der industriellen Abwasserbehandlung, insbesondere bei stark organisch belasteten Abwässern aus der Lebensmittelindustrie, der Papierindustrie, der chemischen Industrie und in Biogasanlagen. Ein zentrales Produkt der anaeroben Behandlung ist Biogas, das aus Methan (CH₄) und Kohlendioxid (CO₂) besteht und als Energiequelle genutzt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Technische Hintergründe
In anaeroben Prozessen nutzen spezielle Mikroorganismen, die als anaerobe Bakterien bezeichnet werden, alternative Elektronenakzeptoren anstelle von Sauerstoff für ihren Stoffwechsel. Diese Mikroorganismen bauen organische Verbindungen wie Kohlenhydrate, Fette und Proteine in Abwesenheit von Sauerstoff ab. Der Prozess erfolgt in mehreren Stufen:
Hydrolyse: Komplexe organische Verbindungen, wie Fette und Proteine, werden in einfachere Moleküle wie Fettsäuren, Aminosäuren und Zucker zerlegt.
Acidogenese: Die in der Hydrolyse entstandenen Moleküle werden weiter in organische Säuren, Alkohole, Wasserstoff und Kohlendioxid umgewandelt.
Acetogenese: Organische Säuren und Alkohole werden durch acetogene Bakterien zu Essigsäure (Acetat), Wasserstoff und Kohlendioxid abgebaut.
Methanogenese: In der letzten Stufe produzieren methanogene Bakterien aus Essigsäure und Wasserstoff das Endprodukt Methan (CH₄) und Kohlendioxid (CO₂).
Dieser mehrstufige Prozess führt zur Produktion von Biogas, das zu etwa 60–70 % aus Methan besteht und energetisch genutzt werden kann. Gleichzeitig wird das Abwasser von organischen Verunreinigungen gereinigt, wodurch die biochemische Sauerstoffnachfrage (BSB5) und die chemische Sauerstoffnachfrage (CSB) signifikant reduziert werden.
Anaerobe Verfahren in der Praxis
Anaerobe Verfahren sind insbesondere bei der Behandlung von hoch organisch belastetem Abwasser und organischen Abfällen in verschiedenen Industrien verbreitet. Die wichtigsten Anwendungen umfassen:
1. Anaerobe Abwasserbehandlung
Anaerobe Reaktoren werden häufig in Lebensmittel- und Getränkeindustrien, Molkereien, Papierfabriken und Biogasanlagen eingesetzt, um organische Stoffe im Abwasser abzubauen und gleichzeitig Energie in Form von Biogas zu gewinnen. Typische Reaktoren für anaerobe Prozesse sind:
UASB-Reaktoren (Upflow Anaerobic Sludge Blanket):
Der UASB-Reaktor (Upflow Anaerobic Sludge Blanket) ist eine anaerobe Reaktortechnologie, die sich durch eine effiziente Abwasserbehandlung und Biogasproduktion auszeichnet. Das Abwasser strömt in einem Gegenstromprinzip von unten nach oben durch den Reaktor, wo es auf eine Schlammschicht trifft, die aus granulierten anaeroben Mikroorganismen besteht. Diese Mikroorganismen bauen die organischen Stoffe im Abwasser unter anaeroben Bedingungen ab und produzieren Biogas, das hauptsächlich aus Methan und Kohlendioxid besteht.
Technische Spezifikationen:
- Durchflussrichtung: Von unten nach oben (Upflow)
- Hydraulische Verweilzeit: Typischerweise zwischen 6 und 12 Stunden
- Organische Beladungsrate: Bis zu 10 kg CSB/m³·d
- Temperaturbereich: Kann sowohl in mesophilen (30-40°C) als auch in thermophilen (50-60°C) Bereichen betrieben werden
- Gasproduktion: 0,25 bis 0,35 m³ Biogas pro kg abgebautem CSB
Foto: Schematische Darstellung unseres ALMA BIO UASB-Reaktors
EGSB-Reaktoren (Expanded Granular Sludge Bed):
Der EGSB-Reaktor (Expanded Granular Sludge Bed) ist eine Weiterentwicklung des UASB-Reaktors und zeichnet sich durch eine höhere Fließgeschwindigkeit und bessere Durchmischung aus. Im EGSB-Reaktor wird das Abwasser mit höherer Geschwindigkeit durch die granulierte Schlammschicht geführt, wodurch sich die hydraulische Verweilzeit reduziert und die organische Beladung gesteigert werden kann. Durch diese verbesserte Flüssigkeitszirkulation und Ausdehnung des Schlammbetts wird der Reaktor effizienter, insbesondere bei Abwässern mit sehr hoher organischer Belastung.
Technische Spezifikationen:
- Durchflussrichtung: Von unten nach oben, ähnlich wie beim UASB-Reaktor, jedoch mit höherer Fließgeschwindigkeit.
- Hydraulische Verweilzeit: Typischerweise zwischen 1 und 6 Stunden, abhängig von der Abwasserzusammensetzung.
- Organische Beladungsrate: Bis zu 30 kg CSB/m³·d
- Reaktorhöhe: EGSB-Reaktoren sind typischerweise höher als UASB-Reaktoren, was zu einer besseren Trennung von Schlamm und Abwasser führt.
- Gasproduktion: Ähnlich wie beim UASB-Reaktor, mit einer Gasproduktion von etwa 0,3 bis 0,35 m³ Biogas pro kg abgebautem CSB.
Foto: Schematische Darstellung unseres ALMA BHU BIO EGSB-Reaktors
Gasmischreaktoren:
- In unserem ALMA BHU GMR (Gasmischreaktor) wird das Abwasser unter anaeroben Bedingungen effizient behandelt, wobei der Reaktor speziell für Abwässer mit hohen Calciumkonzentrationen entwickelt wurde. Die fortschrittliche Gasmischtechnologie des ALMA BHU GMR gewährleistet eine optimale Durchmischung der Reaktionsgase im Abwasser, was den biologischen Abbau und die Fällung von Calcium stark verbessert.Der Reaktor bietet eine besonders effiziente Lösung für Abwässer, die aufgrund hoher Calciumgehalte schwierig zu behandeln sind. Dabei wird nicht nur die organische Belastung des Abwassers reduziert, sondern auch eine gezielte Calciumfällung ermöglicht, die Ablagerungen in nachgeschalteten Anlagen verhindert. Dies sorgt für eine stabile Betriebsführung und reduziert die Wartungskosten erheblich. Der ALMA BHU GMR ist somit ideal für industrielle Anwendungen, bei denen hohe Calciumkonzentrationen im Abwasser eine zentrale Herausforderung darstellen.
Foto: Fotos von unserem anaeroben Gasmischreaktor ALMA BHU GMR
2. Schlammstabilisierung
In kommunalen und industriellen Kläranlagen wird der anfallende Klärschlamm in anaeroben Faulbehältern stabilisiert. Hierbei werden organische Verbindungen im Schlamm unter sauerstofffreien Bedingungen abgebaut, wodurch der Feststoffgehalt des Schlamms reduziert und Biogas erzeugt wird. Dieses Verfahren trägt zur Energieerzeugung und zur Reduzierung des Schlammvolumens bei, was die Entsorgungskosten senkt.
Vorteile anaerober Verfahren
Hohe Energieeffizienz:
- Durch die Erzeugung von Biogas kann anaerobe Abwasserbehandlung einen großen Teil des Energiebedarfs einer Anlage decken oder sogar überschüssige Energie produzieren.
Geringerer Sauerstoffbedarf:
- Da anaerobe Prozesse ohne Sauerstoff auskommen, sind sie besonders vorteilhaft in Bereichen, in denen der Energieaufwand für die Belüftung in aeroben Prozessen hoch ist.
Reduktion von Schlamm:
- Im Vergleich zu aeroben Verfahren erzeugen anaerobe Systeme weniger Überschussschlamm, was die Kosten für Schlammbehandlung und -entsorgung senkt.
Abbau schwer abbaubarer organischer Verbindungen:
- Anaerobe Mikroorganismen sind in der Lage, auch schwer abbaubare organische Stoffe zu verwerten, was diese Prozesse in bestimmten Industrieabfällen besonders wertvoll macht.
Herausforderungen anaerober Verfahren
Längere Reaktionszeiten:
- Anaerobe Prozesse sind oft langsamer als aerobe Verfahren, was zu längeren Verweilzeiten und größeren Reaktorvolumina führen kann.
Sensibilität gegenüber toxischen Substanzen:
- Anaerobe Mikroorganismen sind empfindlicher gegenüber toxischen Substanzen im Abwasser, was zu Prozessstörungen führen kann. Dies erfordert eine sorgfältige Überwachung und Steuerung der Zulaufkonzentrationen.
Fazit
Anaerobe Verfahren sind in der industriellen Wasser- und Abwasserbehandlung eine effiziente und umweltfreundliche Methode zur Reduzierung von organischen Belastungen und zur Energiegewinnung. Durch den Einsatz anaerober Technologien können Industrien nicht nur Abwasserreinigungskosten senken, sondern auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, indem sie Biogas als erneuerbare Energiequelle nutzen. Die Anwendung in anaeroben Reaktoren wie UASB, EGSB oder in Gasmischreaktoren macht diese Verfahren besonders geeignet für Abwässer mit hohem organischen Gehalt.
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