Der Begriff anoxisch bezeichnet eine Umgebung oder einen Prozess, bei dem kein gelöster Sauerstoff (O₂) vorhanden ist. Im Unterschied zu anaerob (gänzlich ohne Sauerstoff), können anoxische Bedingungen jedoch andere Sauerstoffquellen wie Nitrat (NO₃⁻) als Elektronenakzeptoren enthalten. Der Begriff ist besonders relevant in der Wasser- und Abwasserbehandlung, insbesondere in der biologischen Stickstoffentfernung, wie z. B. in der Denitrifikation. Anoxische Bedingungen werden gezielt geschaffen, um den Stickstoff im Abwasser durch den Abbau von Nitrat zu elementarem Stickstoff (N₂) umzuwandeln, der als Gas in die Atmosphäre entweicht.

Technische Hintergründe

In anoxischen Reaktoren oder Zonen erfolgt der biologische Abbau von organischen Stoffen durch Bakterien, die in der Lage sind, Nitrat (NO₃⁻) oder Nitrit (NO₂⁻) als alternative Elektronenakzeptoren zu nutzen, da Sauerstoff als Elektronenakzeptor nicht zur Verfügung steht. Die anoxische Umgebung wird oft in biologischen Abwasserbehandlungsverfahren genutzt, insbesondere zur Stickstoffentfernung. Der Denitrifikationsprozess ist der zentrale biologische Prozess, der in anoxischen Zonen abläuft.

Denitrifikation:

Der Prozess der Denitrifikation findet unter anoxischen Bedingungen statt, bei dem spezielle denitrifizierende Bakterien die Fähigkeit besitzen, Nitrat oder Nitrit zu reduzieren. Dieser Prozess läuft in mehreren Schritten ab:

  1. Nitratreduktion (NO₃⁻ zu NO₂⁻): Die denitrifizierenden Bakterien nutzen Nitrat als Elektronenakzeptor und reduzieren es zu Nitrit.
  2. Nitritreduktion (NO₂⁻ zu NO): Das gebildete Nitrit wird weiter zu Stickstoffmonoxid (NO) reduziert.

Die Denitrifikation ist entscheidend, um Stickstoffverbindungen im Abwasser zu entfernen und eine Überdüngung von Gewässern zu vermeiden, was zur Eutrophierung führen kann.

Anoxische Bedingungen in der Praxis

In der industriellen Abwasserbehandlung werden anoxische Bedingungen gezielt eingesetzt, um den Stickstoffgehalt im Abwasser zu senken. Dies geschieht in speziellen anoxischen Reaktoren oder anoxischen Zonen innerhalb von Belebungsanlagen oder SBR-Reaktoren (Sequencing Batch Reactor). Die anoxische Behandlung erfolgt oft im Rahmen eines zweistufigen Prozesses:

  1. Nitrifikation (aerob): In einem ersten Schritt wird Ammonium (NH₄⁺) unter aeroben Bedingungen von nitrifizierenden Bakterien zu Nitrat oxidiert.
  2. Denitrifikation (anoxisch): Im zweiten Schritt wird das Nitrat in anoxischen Bedingungen zu Stickstoffgas reduziert und entweicht in die Atmosphäre.

Anoxische Bedingungen finden typischerweise in den folgenden Systemen Anwendung:

1. Belebtschlammverfahren mit anoxischer Zone:
  • In Belebungsanlagen wird das Abwasser zunächst belüftet, um den Ammoniumstickstoff durch Nitrifikation zu Nitrat zu oxidieren. Anschließend wird das Wasser in eine anoxische Zone geleitet, wo die denitrifizierenden Bakterien das Nitrat zu Stickstoffgas reduzieren.
Biologische Phosphorelimination zur Reduzierung der Phosphoreinträgen in Gewässer

Foto: Denitrifikationsbecken unserer ALMA BHU BIO-Anlage 

2. Sequencing Batch Reactor (SBR):
  • Der SBR-Reaktor kann in verschiedenen Phasen betrieben werden, darunter eine anoxische Phase für die Denitrifikation. Hier wird das Nitrat im Abwasser während einer Phase ohne Sauerstoffzufuhr abgebaut.
3. Membranbioreaktoren (MBR):
  • In MBR-Systemen können spezielle anoxische Zonen integriert werden, um die Stickstoffentfernung zu unterstützen. Diese Systeme kombinieren biologische Behandlung mit Membranfiltration, um eine höhere Wasserqualität zu erzielen.
ALMA BIO Kompakt mit einem ALMA MODUL

Foto: Kompakter Membranbioreaktor in modularer Bauweise (ALMA BIO MBR)

4. Denitrifikationsfilter:

  • Denitrifikationsfilter werden oft in Kreislaufanlagen oder Kühlkreisläufen eingesetzt, um den Nitratgehalt zu senken und die Stickstoffbelastung zu verringern.

Vorteile der anoxischen Behandlung

  • Effiziente Stickstoffentfernung: Anoxische Bedingungen ermöglichen die Entfernung von Nitrat aus dem Abwasser, was zur Reduktion von Stickstoffbelastungen und zur Einhaltung von Ablaufgrenzwerten beiträgt.

  • Vermeidung von Eutrophierung: Die Denitrifikation verhindert, dass hohe Stickstoffgehalte in Gewässer gelangen und eine Überdüngung verursachen, die das ökologische Gleichgewicht in Flüssen und Seen stören könnte.

  • Ressourcenschonung: Der Einsatz von Nitrat als Elektronenakzeptor spart Energie, da keine externe Sauerstoffzufuhr erforderlich ist, um die Mikroorganismen im Abbauprozess zu unterstützen.

Herausforderungen und Betriebshinweise

  • Optimale Bedingungen: Die Denitrifikation läuft nur unter strengen anoxischen Bedingungen optimal ab. Dies erfordert eine genaue Steuerung des Sauerstoffeintrags und der Kohlenstoffquelle, die den denitrifizierenden Bakterien als Nahrung dient. Häufig wird Methanol oder eine ähnliche Kohlenstoffquelle hinzugefügt, um den Denitrifikationsprozess zu unterstützen.

  • Kontinuierliche Überwachung: Die Überwachung des Sauerstoffgehalts und der Nitratkonzentration ist entscheidend für den Betrieb anoxischer Systeme. Eine falsche Steuerung kann dazu führen, dass die Denitrifikation ineffizient abläuft oder unterbrochen wird.

Fazit

Anoxische Bedingungen sind ein unverzichtbarer Bestandteil der biologischen Stickstoffentfernung in der Abwasserbehandlung. Sie ermöglichen die Denitrifikation, bei der Nitrat in unschädliches Stickstoffgas umgewandelt wird. Diese Prozesse sind in der industriellen Wassertechnik besonders wichtig, um hohe Stickstoffkonzentrationen zu entfernen und den Stickstoffkreislauf im Abwasser zu schließen. In Kombination mit aeroben Verfahren in Belebtschlamm- und SBR-Anlagen stellen anoxische Prozesse eine effektive Methode dar, um die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen und eine nachhaltige Wasseraufbereitung zu gewährleisten.