Das Redoxpotential, auch Reduktions-Oxidations-Potential genannt, ist ein physikalisch-chemischer Messwert, der die Oxidations- und Reduktionsfähigkeit einer Lösung beschreibt. Es wird in Millivolt (mV) angegeben und ist eine zentrale Größe in der industriellen Wasser- und Abwasserbehandlung. Das Redoxpotential dient dazu, chemische Prozesse, insbesondere solche, die mit Elektronentransfer einhergehen, zu überwachen und zu steuern. Typische Anwendungen umfassen die Desinfektion, Oxidation organischer Stoffe und die Reduktion von Schwermetallen oder anderen Schadstoffen.

Grundlagen des Redoxpotentials

Das Redoxpotential basiert auf der Fähigkeit einer Substanz, Elektronen abzugeben (oxidieren) oder Elektronen aufzunehmen (reduzieren). Diese Reaktionen finden in einem elektrochemischen Gleichgewicht statt, welches durch folgende Reaktionen charakterisiert wird:

  • Oxidation: Verlust von Elektronen (z. B. Fe²⁺ → Fe³⁺ + e⁻).
  • Reduktion: Gewinn von Elektronen (z. B. O₂ + 4e⁻ + 4H⁺ → 2H₂O).

Das Redoxpotential wird über eine Referenzelektrode (z. B. Ag/AgCl oder Kalomel) in Kombination mit einer Messelektrode (meist Platin) gemessen. Die Messung erfolgt unter definierten Bedingungen wie Temperatur und pH-Wert, da diese Parameter das Redoxpotential beeinflussen.

Praktische Bedeutung des Redoxpotentials in der Wasser- und Abwassertechnik

1. Desinfektion

In der Wasseraufbereitung wird das Redoxpotential häufig zur Überwachung der Desinfektion eingesetzt, insbesondere bei der Verwendung von Chlor, Ozon oder Wasserstoffperoxid. Ein hohes Redoxpotential (z. B. > 650 mV) deutet auf eine ausreichende Oxidationskraft hin, die notwendig ist, um Keime und Pathogene abzutöten.

  • Beispiel Chlor:
    Beim Einsatz von Chlor ist das Redoxpotential ein Indikator für die Desinfektionsleistung. Chlor oxidiert organische Verbindungen und Mikroorganismen, wodurch das Redoxpotential ansteigt.
2. Oxidation von Schadstoffen

Das Redoxpotential wird in der Fenton-Reaktion genutzt, bei der Eisen(II)-Salze und Wasserstoffperoxid reagieren, um Hydroxylradikale (OH·) zu erzeugen. Diese Radikale oxidieren organische Schadstoffe sehr effizient.

  • Typisches Ziel: Abbau von schwer abbaubaren organischen Substanzen (z. B. in pharmazeutischen oder chemischen Abwässern).
3. Fällung und Reduktion von Chrom(VI) zu Chrom(III) mit Natriumbisulfit

Ein spezielles Anwendungsgebiet des Redoxpotentials ist die Reduktion von Chrom(VI) zu Chrom(III) in industriellen Abwässern. Chrom(VI) ist ein stark toxisches und krebserregendes Schwermetall, das in vielen Prozessen, etwa in der Metallverarbeitung oder Oberflächenbehandlung, vorkommt. Um die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten, wird Chrom(VI) häufig durch Natriumbisulfit (NaHSO₃) reduziert.

Reaktionsmechanismus:
Natriumbisulfit fungiert als Reduktionsmittel, das Chrom(VI) in einer sauer eingestellten Lösung in die weniger toxische und leichter fällbare Form Chrom(III) überführt.

  • Chromat-Ionen (Cr₂O₇²⁻) werden durch Elektronentransfer in Chrom(III)-Ionen (Cr³⁺) umgewandelt.
  • Protonen (H⁺) aus der sauren Lösung unterstützen die Reduktion.
  • Das entstehende Chrom(III) kann anschließend durch Fällung als Chromhydroxid (Cr(OH)₃) aus dem Wasser entfernt werden.

Redoxpotential-Überwachung:
Das Redoxpotential ist ein zentraler Parameter bei diesem Prozess, da es die Effektivität der Reduktion widerspiegelt:

  • Ein niedriges Redoxpotential (< +200 mV) zeigt an, dass genügend Reduktionsmittel vorhanden ist und die Reaktion in Richtung Chrom(III) verläuft.
  • Steigende Redoxwerte deuten darauf hin, dass die Reduktion unvollständig ist oder eine Nachdosierung von Natriumbisulfit erforderlich wird.

Praktische Umsetzung:
In der Praxis erfolgt die Dosierung von Natriumbisulfit in einem Sauerstoff-freien, stark sauren Milieu (pH 2–3), um eine effiziente und vollständige Reduktion sicherzustellen. Das entstehende Chrom(III) wird durch pH-Anhebung auf 7–9 als unlösliches Chromhydroxid ausgefällt und kann über Sedimentation oder Filtration entfernt werden.

Dieses Verfahren kombiniert Chemikaliendosierung, Redoxpotential-Monitoring und Fällungsprozesse und gewährleistet eine sichere und regelkonforme Abwasserbehandlung.

4. Biologische Abwasserbehandlung

Das Redoxpotential ist ein wichtiger Parameter in der biologischen Abwasserbehandlung, da es die Aktivität von Mikroorganismen widerspiegelt:

  • Aerobe Prozesse: Hohe Redoxwerte (> 200 mV).
  • Anaerobe Prozesse: Niedrige Redoxwerte (< -200 mV).

Ein gezieltes Monitoring des Redoxpotentials hilft dabei, die Prozesse zu optimieren und das System vor unerwünschten biologischen Reaktionen (z. B. Sulfat-Reduktion oder Methanbildung) zu schützen.

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Einflussfaktoren und Herausforderungen

pH-Wert

Das Redoxpotential ist stark vom pH-Wert abhängig, da Protonen (H⁺) oft Teil der Redoxreaktionen sind. Beispielsweise verschiebt sich das Potential der Sauerstoffreduktion in alkalischem Wasser.

Temperatur

Mit steigender Temperatur nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit der Redoxprozesse zu, was zu dynamischen Veränderungen des Redoxpotentials führen kann.

Störungen durch Fremdstoffe

Fremdstoffe wie organische Substanzen oder gelöste Salze können das Redoxpotential beeinflussen, indem sie zusätzliche Redoxreaktionen verursachen.

Anwendung des Redoxpotentials in der Praxis

In der Praxis werden Online-Messsysteme verwendet, um das Redoxpotential in Echtzeit zu überwachen und zu steuern. Diese Systeme bestehen typischerweise aus:

  • Sensoren mit hoher chemischer Beständigkeit (z. B. Platin oder Gold).
  • Steuerungseinheiten, die Alarmgrenzen definieren und Regelkreise ansteuern.

Beispiele:

  • Überwachung der Dosierung von Oxidationsmitteln (z. B. in Kühltürmen).
  • Regelung von biologischen Reaktoren in der Abwasserbehandlung.
  • Optimierung von Korrosionsschutzmaßnahmen in geschlossenen Wasserkreisläufen.

Fazit

Das Redoxpotential ist ein essenzieller Parameter in der industriellen Wasser- und Abwasserbehandlung. Es ermöglicht die Überwachung und Steuerung von chemischen Fällungsprozessen und biologischen Prozessen und trägt so zur Effizienz, Sicherheit und Nachhaltigkeit moderner Anlagen bei. Ingenieure und Betreiber profitieren von einem fundierten Verständnis des Redoxpotentials, um Prozesse gezielt zu optimieren und Störungen zu vermeiden.

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