Die Neutralisation, eine chemische Reaktion, bei der Säuren und Basen zu Salzen und Wasser reagieren, spielt eine zentrale Rolle in der industriellen Abwasserbehandlung. Bevor Abwässer in das öffentliche Kanalnetz eingeleitet werden dürfen, müssen sie oft neutralisiert werden. Dies gilt besonders für saure und alkalische Abwässer aus verschiedenen industriellen Prozessen. In der Regel liegt der pH-Wert laut den behördlichen Einleitbedingungen zwischen 6,5 und 9,5.

Bei der Neutralisation von sauren Abwässern werden üblicherweise Laugen wie Kalkmilch oder Natronlauge eingesetzt. Umgekehrt werden alkalische Abwässer häufig mit Säuren wie Salzsäure oder Schwefelsäure neutralisiert. Allerdings bedeutet Neutralisation nicht immer das Einstellen des pH-Wertes auf 7, sondern auch das Anpassen auf spezifische pH-Werte zur Fällung von Schwermetallhydroxiden. Ein häufiger Nachteil dieser Verfahren ist die erhöhte Salzbelastung im Abwasser.

Typische Chemikalien

  • Säuren: Schwefelsäure (H₂SO₄), Salzsäure (HCl), Kohlensäure (H₂CO₃)
  • Laugen: Natronlauge (NaOH), Kalkmilch (Ca(OH)₂), Sodalösung (Na₂CO₃)

Verfahren und Herausforderungen

Die Neutralisation ist die am häufigsten durchgeführte Korrekturbehandlung bei der Abwasseraufbereitung. Dabei wird der pH-Wert durch Zugabe von Säuren oder Basen in einen neutralen Bereich (pH 6 bis 9) gebracht.

Die allgemeine Reaktionsgleichung lautet:

Neutralisation von Abwasser mit Säure und Lauge

Dies geschieht mittels pH-Wert-Regelung und Dosierung der Neutralisationsmittel. Die präzise Dosierung von Säure und Lauge wird durch eine automatische pH-Wert Regelung durchgeführt. Schwankende Abwasserzusammensetzungen können diese automatische Regelung erschweren, da der pH-Wert auf einer logarithmischen Skala basiert.

Dosierpumpen und Neutralisationsmittel im ALMA MODUL

Foto: Dosierstation für Säure und Lauge verbaut in einem Technikraumcontainer (Anlage: ALMA Neutra)

Verfahrenstechnische Umsetzung

Die Verfahrenstechnik der Neutralisation umfasst mehrere Schritte und Ausrüstungen, die je nach Art und Menge des Abwassers variieren können.

Homogenisierung des Abwassers:

Das Abwasser wird bei Bedarf von groben Feststoffen gereinigt. Dies kann durch mechanische Filter und Absetzbecken erfolgen. Im Anschluss wird das Abwasser in große Stapelbehälter zwischengelagert und gemischt, um eine homogene Abwasserzusammensetzung zu gewährleisten.

Mischen und Dosieren:

Die Zugabe von Säuren oder Laugen erfolgt kontrolliert über Dosierpumpen. Dabei ist es wichtig, die Chemikalien gleichmäßig im Abwasser zu verteilen. Hierfür werden statische Mischer, Neutralisationsstrecken oder dynamische Rührwerke eingesetzt.

pH-Messung und Regelung:

Die kontinuierliche Überwachung des pH-Werts erfolgt mittels pH-Sonden, die in Echtzeit Daten an ein Regelungssystem senden. Dieses System steuert die Dosierpumpen, um eine präzise Einstellung des pH-Werts zu gewährleisten.

Reaktionsbehälter:

Die Neutralisation findet in speziellen Reaktionsbehältern mit Rührwerken und Belüftern oder in Neutralisationsstrecken statt. Die Reaktionszeit ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die Neutralisationsreaktion vollständig abläuft.

Endkontrolle:

Vor der Einleitung des Abwassers in das öffentliche Kanalsystem oder Gewässer erfolgt eine Endkontrolle des pH-Werts sowie weiterer Parameter. Diese Kontrolle stellt sicher, dass alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.

Kontinuierlich betriebene Neutralisationsanlage

Foto: Neutralisationsstrecke mit Durchfluss- und pH-Regelung (Anlage: ALMA Neutra)

Herausforderungen

Die Neutralisation von Abwasser bringt einige Herausforderungen mit sich, die eine sorgfältige Planung und Umsetzung erfordern:

  • Schwankende Abwasserzusammensetzung: Industrielle Abwässer können in ihrer Zusammensetzung stark variieren, was eine flexible und anpassungsfähige Regelungstechnik erforderlich macht.
  • Dosiergenauigkeit: Die präzise Dosierung von Säuren und Laugen ist entscheidend, um eine Über- oder Unterdosierung zu vermeiden, die zu Umweltproblemen oder ineffizienter Neutralisation führen könnte.
  • Sicherheit: Der Umgang mit starken Säuren und Basen erfordert spezielle Sicherheitsvorkehrungen, um Personal und Umwelt zu schützen.

Neutralisation mit CO₂: Nachhaltige Abwasserbehandlung

Ein wirtschaftliches und sicheres Verfahren zur Neutralisation alkalischer Abwässer ist die Verwendung von Kohlenstoffdioxid (CO₂). Im Gegensatz zu starken Säuren bietet Kohlensäure eine flachere Neutralisationskurve. Dies erleichtert die präzise Steuerung des pH-Wertes und verhindert eine Übersäuerung des Abwassers. Darüber hinaus erhöht die Zugabe von CO₂ die Pufferkapazität des Abwassers, was zu einem stabileren pH-Wert führt.

Diese Reaktionen des CO₂ mit den Abwasserinhaltsstoffen produzieren Carbonate und Hydrogencarbonate, die umweltverträglicher sind als die Salze starker Säuren.

Neutralisationsanlage für Molkereien, Käsereien und milchverarbeitende Betriebe in Containerbauweise

Foto: CO₂-Neutralisationsanlage (Anlage: ALMA Neutra)

Rauchgasneutralisation: Nachhaltigkeit und CO₂-Senkung

Ein besonders nachhaltiges Verfahren zur Neutralisation ist die Nutzung von CO₂-behaftetem Rauchgas aus Kesselanlagen. Diese Methode verbessert den CO₂-Fußabdruck eines Betriebs erheblich, indem das Rauchgas sinnvoll und wirtschaftlich verwertet und in der Neutralisation eingesetzt wird.

Verfahren und Vorteile

  • Nachhaltigkeit: Die Verwendung von Rauchgas zur Neutralisation ist eine umweltfreundliche Methode, die den CO₂-Ausstoß eines Betriebs reduziert. Das im Rauchgas enthaltene CO₂ wird nicht in die Atmosphäre freigesetzt, sondern zur Neutralisation von Abwässern genutzt.
  • Wirtschaftlichkeit: Durch die Nutzung vorhandener Ressourcen, wie Rauchgas aus Heizkesseln, wird der Bedarf an extern zugeführtem CO₂ oder anderen Neutralisationsmitteln reduziert. Dies senkt die Betriebskosten und verbessert die Gesamtwirtschaftlichkeit des Prozesses.
  • Umwandlung: Das CO₂ im Rauchgas reagiert mit den Alkalien im Abwasser und bildet stabile Carbonate und Hydrogencarbonate, die weniger schädlich für die Umwelt sind.

Chemische Reaktion

Reaktion von CO₂ mit Wasser zur Kohlensäure.

Anlagensysteme für die CO₂-Neutralisation

Es gibt verschiedene Anlagensysteme zur effektiven Einbringung von CO₂ in Abwasser:

  • Statische Mischer: Homogene Verteilung des CO₂ durch statische Mischelemente.
  • Rührwerke: Mechanische Durchmischung des Abwassers mit CO₂.
  • Tauchbelüfter: Einbringung von CO₂ durch Tauchbelüftungssysteme
  • Externe Reaktoren: Separate Reaktoren zur CO₂-Einbringung.

Alle Systeme sind mit Mess-, Regel- und Registriereinrichtungen ausgestattet, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Der pH-Wert, die Temperatur und die Abwassermengen werden vor dem Einleiten in das Kanalnetz automatisch erfasst und gesichert.

Fazit & Zusammenfassung

Die Neutralisation von Abwässern ist ein essenzieller Schritt zur Einhaltung von Umweltvorschriften und zur Sicherstellung der Betriebsstabilität von Abwasserbehandlungsanlagen. Die Verwendung von CO₂, insbesondere aus Rauchgas, bietet dabei eine umweltfreundliche und wirtschaftliche Alternative zu traditionellen Methoden mit Säuren und Laugen. Unternehmen, die auf diese Methode setzen, profitieren nicht nur von einer verbesserten CO₂-Bilanz, sondern auch von langfristigen wirtschaftlichen Vorteilen.

Für weitere Informationen und individuelle Beratung zur Abwasserneutralisation stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Unter folgenden Link können Sie mehr über unsere Neutralisationsanlage ALMA Neutra erfahren.

Neutralisationsanlage als Durchlaufanlage mit Misch- und Ausgleichbehälter

Foto: Neutralisationsanlage mit Fettabscheider, Pumpenschacht, Stapelbehälter und Neutralisationsanlage verbaut im Technikraumcontainer (Anlage: ALMA Neutra)